Finnland
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Im dicken Schneetreiben - Tom beim Schlittenfahren.
 
Mit sechsjährigem Sohn nach Finnland
Tom im Norden

Mein Bruder Lars durfte schon vor zwei Jahren den finnischen Winter genießen. Jetzt bin ich dran! Mein Name ist Tom, und ich bin mittlerweile auch sechs Jahre alt. Ach ja, ganz wichtig: im Kindergarten bin ich schon ein Maxi-Kind. Natürlich gehe ich nicht mehr in den Kindergarten. Ich gehe ja schon in die Vorschule! Und deshalb freue ich mich auf Finnland mit Papa!

Unser Kalender zeigt den Februar an. Papa immer auf den Rechnerbildschirm starrend erzählt: „Hui, ist das ein warmer Winter in Finnland. Hoffentlich haben wir Schnee!“ Na klar haben wir Schnee, Papa. Und wenn nicht, so lassen wir uns welchen kommen, wie die Skifahrer in Düsseldorf. Was die können, können wir schon lange. Nicht wahr, Papa?

Endlich mal am Flughafen! Endlich sehe ich die Flugzeuge aus nächster Nähe! Toll sehen sie aus. Aber machen die einen Lärm! Darin soll ich mitfliegen? Ich weiß nicht... Mama will jetzt gehen, und was will dieser Mann an der Türe ohne Türe. Die, die so oft piepst, wenn jemand durchgeht. Außerdem guckt der Mann die ganze Zeit Fernsehen. Ich will lieber wieder mit Mama nach Hause.

Nach einiger Zeit gehe ich doch mit Papa durch die Türe ohne Türe. Dabei wollte ich lieber nach Hause. Aber Papa hat gesagt, das ginge jetzt nicht mehr. Ich bekomme ein ganz großes Eis.

Endlich im Flugzeug. Papa, sind wir schon da? Nein, wir sind noch gar nicht abgeflogen. Boah, sind die Menschen an Bord genervt. Neben Papa sitzt ein fremde Frau. Sie ist die allergenerveste von allen und gibt mir kein Bonbon. Auch der Steward und die Stewardess sind genervt, und warum soll ich einen Gurt umlegen?

Bei der Landung wird es noch mal aufregend. Ich will doch lieber langsam aussteigen. Aber der Steward und Papa lassen mich nicht.

Endlich auf dem Boden. Wir fahren mit dem Bus nach Helsinki rein. Am Bahnhof krieg’ ich diese runden Dinger mit den Kartoffelstäbchen zu essen in dem Laden mit den beiden rotgelben Bergen. Viel los hier.

Papa erzählt, jetzt fahren wir zum Gefängnis. Da sollen wir übernachten. Als wir da mit der Straßenbahn ankommen, ist Papa überrascht. Das Gefängnis gibt es nicht mehr. In der Mauer ist ein großes Loch, statt dessen ist dort ein Hotel, sagt Papa. Mir auch egal. Ich will schlafen.

 

Tom bestaunt einen Pendolino im Hauptbahnhof von Helsinki.
 

 

Aufgenommen bei unserer Ankunft in Mikkeli mit der Webcam von Yle-Radio Mikkeli. Links steht Papa und rechts Tom..
 

Der Hauptbahnhof von Helsinki. Eisenbahnen – meine große Leidenschaft! Das hier sei ein Sackbahnhof, erklärt mir Papa. Aber Papa, das weiß ich doch schon! Wow, ein Pendolino! Papa, mach’ mal ein Foto davon! Hurra, wir fahren mit einem Doppelstockwagen! Mensch, die haben sogar einen Spielplatz oben mit Rutsche und so. Aber warum hat die Hand auf den Türen im Zug immer sechs Finger? Trotzdem tolle Leute, die Finnen!

Es schneit! Kann man auch im Zug Schlitten fahren, will ich wissen. Wir  erreichen die Stadt, wo Papa mit mir hin will. Mikael oder so, heißt sie. Am Bahnhof dort holt uns auch Papas Freund Risto ab. Heimlich gucke ich, ob er auch sechs Finger hat wie die Hand im Zug. Vielleicht haben ja alle Finnen sechs Finger an der Hand. Nein, er hat fünf wie ich; aber dafür spricht er komisch.

Nach einer Autofahrt und Einkaufen sind wir an einer Hütte aus Holz mitten im Wald. Schön ist es hier. Und ganz wichtig - viel Schnee! Von Risto bekomme ich einen blauen Schalenschlitten und erkunde den Wald um die Hütte, während Papa die Koffer auspackt und die Sauna heizt! Also hier waren mein Bruder Lars und auch meine Mama schon mal vor mir. Das werden tolle Tage im Schnee!

 

Eine dieser Zugtüren mit den geheimnisvollen sechs Fingern!

 

Heute machen wir einen großen Spaziergang durch die weiße Landschaft. Den Schlitten ziehen wir hoch zu Ristos Haus, wo er mit seiner Frau Päivi und seinem Vater Martti lebt. Seine drei Kinder sind schon groß und wohnen jetzt in großen Städten. Vom Hof geht eine alte Straße den Berg hinunter, wo ich jetzt mit dem Schlitten fahren darf. Papa bekommt glänzende Augen und erzählt: „Ach ja, vor fast dreißig Jahren fuhr ich hier mit meiner Ente lang!“ Hä, Ente? Wie, ist denn Papa hier mit einem Vogel gefahren? Entweder meint er fliegen, oder er hat einen! Dafür gibt es eine Schneeballschlacht! Mein Papa hat einen Vogel! Und er erzählt von noch mehr Enten. Was, noch mehr Vögel? Jetzt zeige ich ihm einen Vogel. Ich lege mich in den Schnee und bewege meine Arme rauf und runter. Guck mal Papa, hier ist ein Vogel lang geflogen, und zeige auf meinen Schneeabdruck.

Heute bekommt Papa Besuch. Ein Finne mit einem großen Auto kommt zu unserer Hütte. Papa erzählt, das sei Veli-Pekka. Er habe ihn seit 1979 nicht mehr gesehen. Die beiden fallen sich in die Arme, und ich warte, ob er vielleicht Schokolade oder so mitgebracht hat. Hat er! Guter Freund!

Veli-Pekka und Papa hatten sich damals wegen ihrer Zitronenautos mit Rolldach und Revolverschaltung kennen gelernt, höre ich aus dem Gespräch. Das wusste ich nicht, dass Papa mal mit Obst und Waffen gehandelt hat.

Zu dritt machen wir in der Sonne einen Spaziergang zum See. Der Weg ist gefroren. Wir müssen durch den dicken Schnee am Rand stampfen, um nicht auszurutschen. An einer steilen Bergwand im Wald hängen viele Eiszapfen herunter. Papa will mich da lieber nicht Schlitten fahren lassen. Zu steil. Es ist ganz still hier. Ich liege im dicken Schneeanzug auf dem Schlitten, und die beiden ziehen mich durch die Gegend. Dann muss Veli-Pekka mit seinem großen Auto wieder ganz weit nach Hause fahren.

 

Mit Veli-Pekka durch den Schnee!

 

 

Sauna, hurra Sauna! Papa holt ganz viel Holz und zündet die Scheite im Ofen an. Es ist eine andere Hitze wie Zuhause in der Sauna. Nach den Gängen stürze ich mich mutig in den Schnee. Papa steht an der Türe. Er ist nicht so mutig! Zwischendurch trinken wir heißen Pfefferminztee und spielen wieder Karten. Oder ich darf ein spannendes Hörspiel hören.

Am Morgen ist der Himmel rotblau. In der Hütte ist es kalt, Papa zündet den Kamin an. Ich darf im Bett bleiben und kritzle ein bisschen im Reisetagebuch herum. Dann gibt es Frühstück. Als ich mich mit dem Schlitten nach draußen wage, schneit es heftig! So viel Schnee habe ich noch nie erlebt. Papa geht mit mir zur alten Landstraße, wo keine Autos mehr fahren und ich super rodeln kann. Risto hat uns einen Gehschlitten gegeben, wo Papa auch mitfahren kann, während ich vorne sitze. Damit kann man sogar lenken. Macht das Spaß! Langsam schneien wir dick ein. Papa murmelt etwas von „minus“ und „acht“ und „Geraden“. Dabei gibt es doch viele Kurven hier! Ich weiß wirklich nicht, was Papa meint.

Mit Risto gehen wir auf den See. An einigen Stellen sind Löcher im Eis. Risto zieht an einer Leine mit einem Netz dran. Und tatsächlich, darin hängt ein Fisch! Risto freut sich aber nicht so. Kleiner Fisch, sagt er, und ich darf ihn wieder in das Wasser schmeißen. Auch den zweiten Fisch werfen wir wieder hinein.  Lustiges Spiel – Fische rausholen und wieder reinschmeißen. Nur, wann gewinnt denn einer?

 

Eisangeln mit Risto.

 

Unterwegs in den finnischen Winterwäldern

 

 

Unser letzter Tag. In der Nacht hat es geschneit. Die Bäume sind alle weiß. Papa macht draußen ein Lagerfeuer, und ich darf über den Flammen an Stöcken Würstchen grillen. Ganz viel Ketchup, ganz lecker! Nur die Schneeflocken stören ein bisschen. Danach bauen wir einen großen Schneemann, der uns mit seinen Astarmen zuwinkt. Jetzt sind wir zu dritt! Papa schenkt mir ein Knicklicht, und damit winke ich im Wald hin und her. Tschüss Risto, tschüss Päivi, tschüss Martti.

In Helsinki gehen wir wieder in den Laden mit den rotgelben Bergen. Dann zeigt mir Papa ein riesiges weißes Haus, wo ich eine hohe Treppe hochklettern muss. Darin steht eine ebenso riesige Orgel. Darauf würde ich ja gerne mal die Suur’ olet Herra op. 113 Nr. 11 von Finnlands großem Komponisten und Dirigenten Jean Sibelius spielen, aber ich darf nicht!

Am Flughafen ist es schon recht spät. Ich diskutiere mit Papa, dass ich doch lieber mit dem Zug nach Hause fahren möchte. Seine Argumente dagegen sind zwar nicht so überzeugend aber dafür recht süß… Beim Start verlange ich von Papa, er solle dem Piloten sagen, er müsse langsamer fliegen! Jetzt sind aber die beiden Stewardessen super, super nett zu mir! Ich bekomme immer mehr Bonbons, Buntstifte und Blätter. Papa ist am Kopf ziemlich nass, finde ich. Aber jetzt kann ich mich nicht um ihn kümmern, denn ich muss dem Piloten ein Bild malen. Auftrag von der netten Stewardess. Nach der Landung beende ich feierlich meine Mission. Als alle Leute von Bord sind, kann ich mein Werk, was ein Flugzeug zeigt, vorne beim Piloten abgegeben. Er ist begeistert von meinem Bild, ich bin begeistert von seinen vielen bunten Lämpchen und Papa ist begeistert, dass wir endlich da sind! Und am allermeisten freue ich mich über Mama, die uns am Flughafen abholt!

 

Der Zug im Zug - Tom im Doppelstockwagen.
 

Ein Bild für den Piloten.
 

Die Geschichte von Lars' Wintertour - hier

Autor: Tom
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