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Reise zum Telemarkkanal

Der Telemark-Kanal ist eine von Norwegens faszinierendsten touristischen Attraktionen und erstreckt sich über 105 Kilometer von der interessanten Schärenlandschaft Südtelemarks bis Dalen am Rande der Hardanger Vidda. Ausgangspunkt für den Kanalbau waren die Industriebetriebe, vor allem ein Eisenwerk und eine Sägewerk. Ulefoss ist in diesem Zusammenhang ein interessanter Ort: Sitz der Familien Aall und Cappelen, die seit Generationen riesige Wälder und bedeutende Industriegebiete bewirtschafteten. Die Wasserstraße erleichterte den Transport der Holzstämme aus den umliegenden riesigen Wäldern. Außerdem konnte man durch das Zähmen der Stromschnellen den Wasserzufluss für die Sägewerke regulieren. Der Kanalbau war also ein bedeutender Faktor für die Modernisierung der Industriebetriebe im südlichen Telemark. Mit Muskelkraft wurde der Telemarkkanal durch die norwegische Felslandschaft gegraben. Fünfhundert Personen arbeiteten fünf Jahre lang, um eine Wasserstraße aus dem Inneren Telemarks bis an die norwegische Südküste zu schaffen. Eine Fahrt auf diesem Kanal, der 1892 fertig gestellt wurde, ist eine Reise durch eine tausendjährige Kulturgeschichte und eine 150jährige Verkehrsgeschichte. In der Begegnung zwischen dem Wasser des Kanals und den verschiedenen Städten und Streusiedlungen findet sich vieles von der Identität des Kanals wieder.

Der Telemarkkanal hat heute zwei Gesichter. Die Verbindung im unteren Abschnitt zwischen Skien und Norsjø ist stark modernisiert; die Anlagen sind den Bedürfnissen der Flößerei angepasst. Dieser Abschnitt ist die einzige Wasserstraße Norwegens, auf der noch geflößt wird. Auf dem Bandakkanal, dem oberen Teil der Wasserstraße, wurde der Holztransport schon 1980 eingestellt. Daher wurden hier kaum modernisierende Eingriffe vorgenommen. In den 70er Jahren gab es starke Kräfte, die den Kanal zuschütten wollten. Glücklicherweise ist es der südnorwegischen Provinz Telemark erspart geblieben, den größten nutzlosen Sandkasten zu beherbergen.

Heute gibt sich der Bandakkanal fast genauso wie bei seiner Eröffnung. Die Schleusenwände mit den originalen Mauern, die Schleusenpforten, Geländer, die Schienen am Ufer und die Schließ- und Öffnungseinrichtungen der Pforten sind authentisch. Und alles funktioniert heute wie am ersten Tag. Die größte Veränderung hat die Umgebung durchgemacht. Bei der Eröffnung war der Wald zu beiden Uferseiten abgeholzt. Heute ist alles wieder nachgewachsen und der Kanal liegt so selbstverständlich in der Landschaft, als sei er ein naturgegebener Teil davon.

Bei seinem Bau legte man vielerorts kleine Parks an, idyllische, ruhige Plätzchen mit Bäumen, Blumen und Spazierwegen. Die charakteristischen Schleusenwärterhäuschen liegen heute mindestens so idyllisch da, wie früher. So hat man an vielen Schleusen gute Möglichkeit, den Schleusenvorgang von einer Sitzecke am Kanal zu verfolgen und dabei den Inhalt seines Picknickkorbs zu verzehren und die Gegend zu genießen.

Lebensader

Eine Reise entlang und auf dem Telemarkkanal ist eine Begegnung mit der Seele der Landschaft. Der Kanal ist Vergangenheit, die sich mit der Gegenwart trifft, Natur, die sich mit der Kultur austauscht. Eine Lebensader, die diese norwegische Provinz seit mehr als 100 Jahren geprägt hat.

Bei der größten Schleusenanlage in Vrangfoss trifft man während des ganzen Sommers auf Sportboote, Linienschiffe und Rad- und Autofahrer. Hier kann man zusehen, wie die Schleusenwärter die alten Schleusen bedienen und sich dabei auf eine über 100 Jahre alte Technik stützen. Entlang der ganzen Wasserstraße trifft man auf Aktivitäten, die diesen Kanal so lebendig erscheinen lassen: Boote, die geschleust werden, Holz, das geflößt wird, Handel und Wandel in Krämerläden und Spezialgeschäften, Waffeln im Slusekro von Lunde, Butter aus Kviteseid und Kirschen bester Qualität. Nicht zu vergessen das Speiseeis von Kviteseid und das Kanalbrot.

Die Königin dieser Wasserstraße, die 1882 in Dienst gestellte M/S Victoria, hat 120 Jahre lang die Reise zwischen Meer und Gebirge unternommen. Vor neun Jahren wurde ihr ein Schwesterschiff zur Seite gestellt, M/S Henrik Ibsen, 1907 in Schweden gebaut, danach restauriert und dem traditionsreichen Kanalmilieu angepasst. Victoria hat Platz für 180 Passagiere, Henrik Ibsen kann 220 Personen mitnehmen. Beide Schiffe verkehren fahrplanmäßig zwischen Skien und Dalen. M/S Telemark ist ein hübsches Kanalschiff mit einem großen Deck und verkehrt ebenfalls regelmäßig im unteren Kanalabschnitt zwischen Akkerhaugen und Lunde und bietet Platz für 140 Passagiere.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, den Telemarkkanal zu erkunden: Die ganze Reise nimmt 11 Stunden in Anspruch. Man kann aber auch kleinere Strecken zurücklegen und diese mit Linienbussen kombinieren. Im Streckenabschnitt von Dalen nach Kjeldal ist es möglich, auf dem Kanal eine Fahrt in beiden Richtungen zu unternehmen. Zwischen der Ankunft in Kjeldal und der Abfahrt des Gegenschiffes liegen nur 35 Minuten Aufenthalt. M/S Henrik Ibsen und M/S Victoria begegnen sich unterhalb dieser Schleuse.

Es besteht auch eine ausgezeichnete Möglichkeit, den Kanal mit dem Fahrrad zu erkunden. Die so genannte "Kanalruta" erstreckt sich über 115 Kilometer von Ulefoss bis Dalen am oberen Ende des Kanals. Größtenteils folgt der Fahrradweg dem Kanalverlauf, meistens eben, aber auch einigen Steilstücken mit guter Markierung auf braunem Hinweisschild, das ein Fahrradsymbol trägt. Meistens verläuft er über wenig befahrene Straßen, ab und zu auch über Auto freie Wege und Stege. Viele nehmen die Möglichkeit wahr, Fahrradtour und Schiffsreise zu kombinieren. Man kann auch vom Angebot des Reisebüros Telemarkreiser Gebrauch machen und ein so genanntes sykkelpakket buchen, ein Angebot, das Fahrradtour und Übernachtung bietet.

Heutrocknen

Das Schiff gleitet oftmals an schroffen, spärlich bewaldeten Felsen vorbei. Hier und dort verstreute Häuschen. An manchen steilen Hängen brachten früher die Leute die spärliche Heuernte auf dem eigenen Rücken ins Haus. Hesjing ist noch heute die beste Art des Heutrocknens in Telemark. Nach dem Mähen ist jung und alt damit beschäftigt, das Winterfutter zu sichern. Eine Allee von Pfählen wird auf der Wiese aufgesetzt, zwischen diese wird ein Stahldraht gezogen und das Gras darüber gehängt. So trocknet es schnell.

Eine Fahrt auf dem Kanal ist eine Reise durch eine Kulturlandschaft: Mensch und Natur haben gemeinsam das Bild geprägt. Generationen hindurch haben Bauern das Land bearbeitet, davon zeugen Felder und Wiesen, die überall die dunklen Wälder farbreich durchsetzen. Gehöfte und Streusiedlungen beleben die Landschaft. Blumenwiesen und Weideland zeugen vom Appetit der Haustierherden, die das Landschaftsbild mitgeformt haben. Majestätische Steinhalden erzählen vom Alltag der Bergbauern, die in zäher Ausdauer ihr Land von Steinen zu befreien suchten.

Die Besiedlung zu beiden Seiten des Kanalufers, das leicht ansteigt, ist vor allem im oberen Teil nur spärlich. Landwirtschaftliche Gebäude in kräftigem Weinrot und gelbliche oder weiße Wohnhäuser sind von Feldern, Wiesen und Weiden umgeben. Wald bedeckt ausnahmslos die steilen Talflanken, wobei Kiefern dominieren. An fast senkrecht aufragenden Felswänden fehlt dagegen die Vegetation fast vollständig. Das Wasser ist kristallklar, und kaum ein Luftzug kräuselt die Oberfläche.

Den Kanal vom Schiff aus erleben

Im Sommer 1999 sind wir wieder am Telemarkkanal, dieses Mal auf dem Campingplatz von Kviteseid. Anders als 1996 (siehe NF 15, März 1997) haben wir kein Hochsommerwetter, dessen Temperaturen uns an einen Urlaub am Mittelmeer glauben lassen. Meistens hängen die Wolken ziemlich tief, es regnet häufig, und nur selten schaut ein blauer Sonnenhimmel hervor. Auch heute, wo wir die Fahrt auf dem Kanal mit einem Schiff bis Kjeldal und zurück unternehmen wollen, reichen die Wolken bis fast auf die Wasseroberfläche herunter. Wir fahren nach dem Frühstück zum Anleger ins Zentrum und wollen von hier um 10.20 Uhr das Schiff Kanal abwärts nehmen. Ankunftszeit ist 10 Uhr.

Der Kanaldampfer ist auf die Minute pünktlich: Zehn Minuten vor der geplanten Ankunft hören wir Schiffsmotorengeräusche und sehen die Henrik Ibsen um eine Biegung kommen. Das Schiff ist gut besetzt und auf dem Vordeck stehen zahlreiche Touristen und begutachten das Anlegemanöver, das bei spiegelglattem Wasser problemlos vonstatten geht. Mit uns steigen noch einige Urlauber ein, und exakt um 10.20 Uhr legt das Schiff ab. Als wir ans Oberdeck gelangen, vernehmen wir aus dem Lautsprecher in deutscher Sprache Informationen über die Stadt Kviteseid. Im Verlauf unserer heutigen Tour wird immer wieder auf Norwegisch, Englisch und Deutsch über alles Sehenswerte berichtet. Unterdessen dreht die Henrik Ibsen ihren Bug in den Wind Richtung Südosten, den Telemarkkanal abwärts zum Kviteseidvatn.

Kviteseid liegt am Sundkilen, einem Nebenarm des Kviteseidvatn. Wir gleiten nahe an Häusern vorbei, die unmittelbar am Kanal liegen. Die Hausgärten reichen bis ans Wasser heran, davor oftmals ein Bootssteg, an dem ein Sportboot vertäut ist. Die Besiedlung ist hier auf der Stadtseite recht dicht, und so benötigen wir eine ganze Zeit, bis die letzten Häuser dieser Ansiedlung hinter uns liegen und wir parallel zum riksvei 41 tuckern. Dann spüren wir, dass das Kanalboot die Geschwindigkeit vermindert, und mit einem Blick nach vorn erkennen wir auch den Grund: die Drehbrücke über die engste Stelle des Sundkilen. Viermal am Tag, wenn bei Ein- und Ausfahrt nach Kviteseid die Victoria oder Henrik Ibsen diese Brücken passieren, muss der Brückenwärter gerufen werden, der dann die Brücke über dem Mittelpfeiler um ihre eigene Achse um 90 Grad drehen lässt.

Schon bald weitet sich der Kanal und geht in den Kviteseidvatn über. Der See liegt spiegelglatt. Die Stimmen der Mitreisenden und das Arbeiten der Maschinen bilden die einzige Geräuschkulisse, wenn nicht ab und zu ein Vogel durch einen Schrei auf sich aufmerksam machen würde. Hier ist kaum auf Besiedlung zu treffen. Nur ab und zu ein Fahrzeug auf der Straße, die am Freilichtmuseum Kviteseid, Kviteseid Bygdetun, Richtung Fjågesund abbiegt, lässt erkennen, dass hier doch Menschen leben. Von Zeit zu Zeit begegnet uns auch ein Freizeitboot, das den Kanal aufwärts fährt. Am östlichen Ende des Kviteseidsvatn treten die Ufer wieder näher an den Kanal heran. Vorbei geht es an schroffen, kaum bewachsenen Felsen. Hier und dort verstreut nun ein Haus auf kleinen, grün leuchtenden Flecken, die landwirtschaftlich genutzt werden. Nach einer Rechtskurve weitet sich dann die Engstelle allmählich und gibt den Blick frei auf große stattliche Landwirtschaftsgebäude. Wir haben jetzt den Ort Fjågesund erreicht und steuern auf die neue Brücke zu, die seit einigen Jahren den Kanal überspannt und die alte Kabelfähre, die kaum drei, vier Fahrzeugen Platz bot, ersetzt. Die Anlegestelle ist eine Bedarfshaltestelle, und da niemand zu sehen ist, der mitgenommen werden möchte, geht es ohne Halt weiter.

Kaufmann

Gehöfte und Streusiedlungen beleben hier die Landschaft. Am Anleger in Fjågesund gibt es sogar noch einen Kaufmann, dem man einen Besuch abstatten sollte. In seinem Geschäft, einem alten Landhandel, findet man eine Warenauswahl sowohl älteren als auch neueren Datums. Besonders im Bereich oberhalb der Brücke prägen stolze, mächtige Bauerngehöfte das Landschaftsbild. Wiesen und Getreidefelder verlaufen über die leicht hügeligen Anhöhen unmittelbar am Kanalufer. Dahinter, wie sooft, bewaldete Berge, schroffe Felswände, wilde Natur.

Allmählich wird die Wolkendecke dünner und lässt erahnen, dass wir heute einen Hochsommertag haben. Vor allem auf der nördlichen Seite des Flåvatn, den wir nun schon seit einiger Zeit befahren, sind die Felshänge dramatisch steil. Kleine Landspitzen und kurze Halbinseln geben Raum für manch schöne Rastplätze am Ufer. Kurz hinter dem Straßentunnel unterhalb des Høgefjell taucht dann ein Campingplatz auf, auf einer Wiese gelegen, die leicht zum See hin abfällt. Ein braunes Kajütboot passiert uns, und die beiden Passagiere grüßen freundlich. Schnell ist das Boot an uns vorbei und schaukelt dann leicht auf den von der Henrik Ibsen verursachten Wellen.

Mit dem Flåvatn verknüpft ist die Sage von einem Seeungeheuer. Eines Tages war das Dampfschiff St. Olaf unterwegs, als dieses Seeungeheuer auf das Schiff zuschwamm. Der Kapitän gab Order, das Fahrzeug so zu manövrieren, dass das Ungeheuer in das Schaufelrad geriet und somit in kleine Stücke zerteilt wurde. Teile des Seeungeheuers sollen in Flåbygd ans Ufer getrieben sein. Nach Messungen soll es ungefähr acht Zoll, also zirka 20 Zentimeter dick gewesen sein.

Dort, wo die steilen Talflanken etwas zurücktreten, tauchen nun wieder große rote Bauerngehöfte mit weißen dazu gehörenden Wohnhäusern auf. Auch das unmittelbare Kanalufer ist nun, wo wir den Flåvatn verlassen, wieder dichter besiedelt, Häuser finden wieder unmittelbar an dem flussähnlichen Kanal Platz.

Obstgarten

Strengen, eine ehemalige Anlegestelle mit gelbem Kanalhäuschen an der Brücke und zwei davor liegenden Sitzbänken mit Tisch, wird langsam passiert, und der Mann, der eine Angel in der Hand hält, schenkt dem vorbei fahrenden Kanalschiff keinen Blick. Flåbygd, eine Ansiedlung unter steilen, nackten Felsen - so die Übersetzung aus dem Norwegischen -, zeichnet sich durch gute landwirtschaftliche Böden aus. Nicht weit vom ehemaligen Haltepunkt entfernt liegt der Hof Nordre Sundbø, einer der alten Höfe entlang des Kanals, dessen Hauptgebäude zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Hier lebte am Ende des 18. Jahrhunderts der Kanzleirat Nils Wamberg, der sich sehr für Gartenbau interessierte. Er hatte einen Obstgarten von 20 Hektar Größe und verfasste Norwegens erstes Lehrbuch für Gemüseanbau. Die alte Anlegestelle wurde 1893-94 errichtet und vor nicht allzu langer Zeit von Bewohnern der Siedlung in Nachbarschaftshilfe restauriert

Nach und nach treten die steilen Hänge immer weiter vom Ufer zurück und bieten somit zahlreichen Wohn- und Ferienhäusern Platz, die jetzt die Landschaft recht abwechslungsreich gestalten. Auf Steuerbordseite fällt bald der Blick auf einen Fahrweg, der neben dem Kanal verläuft und dessen Befestigung zur Kanalseite hin unmittelbar ans Kanalbett stößt. Diese alte idyllische Wegstrecke war viele Jahre dem Verfall Preis gegeben und wurde von Statens Vegvesen, der staatlichen norwegischen Straßenbaubehörde und der Kommune Nome rechtzeitig zum hundertjährigen Kanaljubiläum restauriert.

600 Meter vor dem Kraftwerk Hogga, das den Höhenunterschied an der Schleuse zur Gewinnung von Elektrizität nutzt, weist eine Tafel auf eventuell auftretende Strudel hin. Der Staudamm von Hogga staut die drei westlich gelegenen Seen Flåvatn, Kviteseidvatn und Bandak auf, eine Wassermenge von zirka 15 Millionen Kubikmetern. Das Kraftwerk liegt, in den Fels gebaut, auf der Ostseite der Flussstrecke. Das durchlaufende Wasser wird in einem mehrere Kilometer langen Tunnel bis unterhalb der Schleuse von Lunde geleitet .An der Hinweistafel kommt ein mit zwei Personen besetztes Kanu entgegen, das uns zeigt, dass dieser Wasserweg auch ausgezeichnet auf diese Weise zu befahren ist. Vor der Schleuseneinfahrt von Hogga warten ebenfalls zahlreiche Kanuten darauf, den Kanal abwärts befahren zu können.

Ganz langsam gleiten wir nun in die Schleusenkammer, hinter uns werden die Tore mit Muskelkraft geschlossen. Dann schießt das Wasser aus unserer Kammer, und mit dem allmählich sinkenden Wasserspiegel überwinden wir das Gefälle an der Kanalstufe. Zwei Schleusenkammern sind zu überwinden, dann öffnet sich das untere Tor, und M/S Henrik Ibsen setzt seine Fahrt durch die hier ganz schmale künstliche Wasserstraße fort.

Nur 25 Minuten dauert es dann bis zur Ankunft an der Schleuse von Kjeldal, unserem heutigen Etappenziel. Hier sind wir 63 Kilometer vom westlichen Kanalende bei Dalen entfernt auf einer Höhe von 65 Metern über NN und haben nun etwas mehr als die Hälfte des Kanals geschafft. Mit einem Enterhaken wird die Trosse zum Festmachen an den Schleusenwärter nach draußen gereicht und wir können das Schiff verlassen. Wir beobachten nun den Schleusenvorgang – der Höhenunterschied beträgt drei Meter – von Land aus und stellen fest, dass wir wirklich fast auf die Minute Kjeldal erreicht haben. Auch hier liegt ein Schleusenwärterhaus, und ein kleiner Gästehafen bietet Anlegemöglichkeiten für Freizeitboote.

Bald schon kommt das Gegenschiff, die M/S Victoria, in Sicht, und nun beginnt die Rückreise, die bei viel besserem Wetter als auf der Hinfahrt vonstatten geht. Dieses Mal halten wir sogar in Fjågesund, wo uns zwei Passagiere mit ihren Fahrrädern verlassen. Der Ort liegt nun in wärmender Sonne, und diese begleitet uns auch noch auf der weiteren Rückfahrt. So geht eine abwechslungsreiche Tour zu Ende, und wir erreichen Kviteseid gegen 16.40 Uhr. Damit ist eine knapp sechsstündige Schiffspassage über den Kanal zu Ende, auf der es uns nie langweilig wurde, weil hinter jeder Ecke eine neue landschaftliche Überraschung auf uns wartete.

Schleuse

Die Schleuse von Vrangfoss, die imposanteste unter den Schleusen. – Bei einem Schleusenvorgang fährt das Schiff in die Schleusenkammer ein. Der Schleusenwärter schließt nun das hintere Tor. Dann begibt er sich zum vorderen Tor, wo er den Schieber im unteren Teil des Schleusenbeckens öffnet, so dass von hier aus Wasser in die Kammer eintreten kann. Ist der Wasserstand in beiden Kammer gleich hoch, öffnet der Schleusenwärter das vordere Tor, und das Schiff kann in die nächste Kammer einfahren oder den Schleusenvorgang beenden und weiterfahren.

Die Schleuse von Vrangfoss ist die größte Schleusenanlage im Bandakkanal, dem oberen Teil des Telemarkkanals. Sie umfasst fünf Schleusenkammern und überwindet einen Höhenunterschied von 23 Metern. Vor der Kanalisierung verlief der Vrangfoss durch eine Enge von zwei Kilometern mit einer Fallhöhe von 25 Metern, wobei er sich durch eine schmale Felskluft zwängte, die hohe überhängende Wände aufwies. Der Vrangfoss stellte ein nahezu unlösbares Problem beim Flößen dar, woher auch der Name vrang, querköpfig, widerborstig, herrührt. Es hieß, dass das zu flößende Holz mehrere Jahre im Vrangfoss liegen bleiben konnte. Manchmal gelang es nicht, das alte Holz aus der Enge zu befreien, bevor neues kam. Vierzehn Personen waren ganzjährig damit beschäftigt, das Durcheinander beim Holz zu entwirren. Das Aneinanderreiben der Unmengen von Baumstämmen konnte von Zeit zu Zeit zu solch einer Erwärmung führen, dass es zur Feuerbildung kam. Als der Kanal von 1887 bis 1892 angelegt wurde, errichtete man gleichzeitig mit den fünf Schleusen von Vrangfoss einen 32 Meter hohen Damm, der an der Basis 21 Meter dick ist, so dass der Wasserlauf bis hinunter nach Lunde einige Meter aufgestaut wurde.

Der untere Kanal an der Schleuse von Vrangfoss bildet einen Schutzschild aus Steinen gegen die Wogen des Wasserfalls, so dass die geschleusten Schiffe ruhig in den Kanal einfädeln können. In der Felswand oberhalb von diesem ist das Monogramm von König Oscar II. eingehauen. Der Aussichtspunkt auf den unteren Kanal ist ein beliebter Rastplatz und Aufenthaltsort für Touristen. Die Brücke von Vrangfoss ist eine Stahlträgerbrücke aus dem Jahr 1958. Wie auch bei den übrigen Schleusen umrahmt diese Anlage ein sehr schöner Park. Er umfasst zahlreiche mächtige Laub- und Nadelbäume, Fußwege und Aussichtspunkte; dazu eine Schmiede und ein Beobachtungshäuschen aus der Anfangszeit des Kanals. Die Wohnung des Schleusenwärters im Schweizer Stil liegt im obersten Teil der Park ähnlichen Anlage, wo man auch einen Imbiss einnehmen kann. Von dem Schiefer gedeckten Wärterhäuschen an der oberen Schleusenkammer hat man einen guten Überblick über den Schleusenverlauf. Ebenfalls befindet sich am hiesigen Wasserfall ein Kraftwerk, das in den Fels hinein gebaut wurde.

Am Sägewerk von Fosse oberhalb der Schleuse gab es einen Steinbruch, von dem die Materialien für den Damm und die Schleusenanlage bezogen wurden. Von hier führte eine Gleisanlage durch die abschüssige Felsenschlucht, auf der die Steine in Loren transportiert wurden.

Quellenangabe: Tor Kjetil Gardåsen. Lokalhistorisk reise på Telemarkkanalen, 1997

Autor: Klaus-Jürgen Fiacre, Düsseldorf, 2002
Mit freundlicher Genehmigung des NORDLAND FORUM

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